Erzählen ist meine Kunst!

Zuhören wird zum Genuss!

Ein Viertel Verstand

Es lebte einmal ein Dummkopf, der war wahrhaft dumm und alle anderen verlachten ihn.
Oft träumte er: „Wie wunderbar wäre es, wenn ich mir ein bisschen Verstand kaufen könnte! Vielleicht nur so ein Viertel, das würde mir ja reichen.“
Nahe bei dem Dorf in einer kleinen Hütte lebte eine alte Frau. Sie war bekannt dafür, dass sie allerlei Kräuter und Salben verkaufte. Vielleicht konnte er bei ihr ein wenig Verstand kaufen.
Der Dummkopf ging also zu der Alten. Sie saß vor dem Haus und drehte fleißig das Spinnrad.
„Guten Abend, Frau. Schöner Abend heute.“
„Es liegt Regen in der Luft“, sagte sie und spann weiter.
„Da mögt ihr sicherlich Recht haben“, erwiderte der Dummkopf schaut in den Himmel.
Dann kratzte er sich am Kopf und dreht seinen Hut zwischen den Händen: „Ich bin gar nicht hier, um über das Wetter zu reden. Vielmehr hätte ich so gerne ein bisschen Verstand, nur so ein Viertel. Habt ihr denn vielleicht ein bisschen Verstand zur verkaufen?“
„Das kommt darauf an“, sagte sie, „welche Art von Verstand du haben möchtest.“
„Also, ein Stückchen ganz normaler Verstand würden mir genügen.“
„So sei es denn“, sagte die weise Frau. „Allerdings musst du deinen Teil dazutun. Geh nach Hause und bring mir das, was dir am wichtigsten ist. Und dann löse folgende drei Rätsel:
1. Sage mir, was ohne Füße läuft!
2. Was ist gelb und glänzt und ist doch kein Gold?
3. Was läuft auf vier Beinen, dann auf zwei und endlich auf drei?
Erst wenn du diese drei Rätsel gelöst hast, wirst du dein Viertel Verstand bekommen.“
Was war dem Dummkopf das Wichtigste? Er wusste es nicht. Und da er keinen Verstand hatte, konnte er es auch nicht mit Nachdenken herausfinden. Und wie er auf dem Weg nachhause war, da wurde er immer trauriger und trauriger. Er setzte sich auf einen großen Stein am Wegesrand und fing an zu weinen. Da kam des Weges eine junge Frau. Die blieb stehen und schaute ihn an. „Was ist denn mit dir los“, wollte sie wissen.
„Ich bin nicht als ein Dummkopf“, schluchzte er. „Ich kann mir nicht einmal ein Viertel Verstand kaufen, weil ich nicht weiß, was mir das Wichtigste ist.“
„Was redest du denn da“, fragte die Frau und setzte ich neben ihn. Und er erzählte ihr alles von der weisen Frau, dass er zu dumm sei, deren Aufgaben zu lösen, dass er ganz allein sei auf der Welt und sich nicht zu helfen wisse. Da schaute die Frau ihn noch einmal genauer an: „Mir würde es nichts ausmachen mich mit dir zusammen zu tun. Dann wärst du nicht mehr alleine und ich auch nicht. Die Leute sagen, Dummköpfe geben gute Ehemänner. Ich nehme dich, wenn du willst.“
„Wenn es wahr ist, was die Leute sagen, werde ich dir ein sehr guter Ehemann sein“, sagte er bedächtig. Da gingen sie hin und heirateten.
Sie lebten sie gut miteinander und eines Abends, wie sie glücklich und zufrieden beieinandersaßen, sagte der Dummkopf: „Frau, eines weiß ich es mit Gewissheit. Du bist mir das Wichtigste auf Erden. Wenn ich jetzt noch wüsste, was ohne Füße läuft, was gelb ist und glänzt und doch kein Gold ist, und wenn ich wüsste, was erst auf 4 Beinen läuft, dann auf 2 und endlich auf 3, dann könnte ich zu der weisen Alten gehen und würde ein Viertel Verstand bekommen.“
„Nimm mich mit“, sprach das sein Weib. „Ich kann dir helfen, die Rätsel zu lösen.“ Ungläubig starrte der Mann sein Weib an. Sie lächelte ihn nur an und flüsterte ihm dann die Antworten ins Ohr. „Weib“, sagte da der Mann voller Staunen. „Du hast wahrscheinlich recht. Lass uns gemeinsam zur Alten gehen.“
Sie gingen zu der weisen Frau. Die saß vor der Tür und drehte fleißig das Spinnrad.
Der Mann grüßte und sprach: „Ich bin hier, um mein Viertel Verstand abzuholen. Neben mir steht das, was mir im Leben das Wichtigste ist. Und die Antworten auf die Rätsel sind: 1. Wasser ist’s, das ohne Füße läuft. 2. Die Sonne ist gelb und glänzend, ist aber kein Gold. Und 3. Es ist der Mensch – als kleines Kind krabbelt er auf allen Vieren, als Erwachsener geht er aufrecht um dann im Alter mit einem Krückstock zu gehen, so wie ihr einen bei euch habt.“
Die Alte nickte mit dem Kopf: „Das stimmt“, sagte sie. „Lass mich wissen - von wem hast du die Antworten auf die Rätsel?“ „Mein Weib hat mir die Antworten verraten“, antwortete der Narr. „Aber ich selbst habe erkannt, was dass sie mir das Wichtigste im Leben ist!“
Da sagte die Alte: „Ein Viertel Verstand hast du in dem Augenblick bekommen, als du den Wert deines Weibes erkannt hast. Aber du musst wissen: Du hast mehr, als nur ein Viertel Verstand!“
Der Mann schaute sich um: „Wo soll der denn sein?“
„Nun, im Kopf deiner Frau“, erwiderte die Alte. „Denn sie ist sehr klug und teilt ihre Klugheit mit dir!“
Da nickte der Mann fröhlich und gemeinsam gingen sie nach Hause. Nie wieder wollte er ein Viertel Verstand kaufen, denn seine Frau hatte genug für sie beide.

Joseph Jacobs, in einer Erzählfassung von Xenia Busam Juli 2024



Meine Bitte an all diejenigen, die die Geschichte gelesen haben:

Bitte kreuzen Sie an, was für Sie zutrifft. Danke!

  Einfach schön ...   Die Geschichte berührt mich ...   Die Geschichte amüsiert mich ...   Die Geschichte bringt mich zum Nachdenken ...   Nichts von alledem ...


Vielen Dank für Ihre Abstimmung.


Hier unten können Sie Ihre Gedanken zum Monatsmärchen notieren, WENN Sie mir diese mitteilen möchten. Ihre Gedanken erreichen mich direkt und werden hier auf dieser Seite NICHT sichtbar. Ich freue mich über Ihre Nachricht.

 


Sie kennen einen Menschen,
dem Sie mit Märchen eine Freude machen können?
Erzählen Sie von meiner Märchenpost oder
schicken Sie diese einfach weiter!

"Denn das Erzählen lebt davon,
dass über das Erzählen erzählt wird!"

Das aktuelle Monatsmärchen
können Sie wie gewohnt zum Ausdrucken
einfach herunterladen, indem Sie hier klicken.



Und nun wünsche ich Ihnen eine gute Zeit,
bis wir uns vielleicht demnächst (wieder-) sehen.
E-Mail
Anruf
Infos