Der schwangere Topf
Mullah Wali bewohnte ein kleines, aber sehr gepflegtes Anwesen in einer winzigen Ansiedlung auf dem Land, fernab größerer Städte.
Sein Nachbar Mirsa Nosulkhaar war ein recht habgieriger Mensch, der nie genug besitzen konnte und aus allen Dingen in seinem Leben einen materiellen Vorteil ziehen wollte.
Eines Tages klopfte Mullah Wali an die Tür des Nachbarhauses und als Mirsa Nosulkhaar öffnete, fragte er ihn höflich, ob er sich einen Topf von ihm entleihen könne, da Gäste in sein Haus kommen würden und er nicht genug Töpfe habe, um alle zu bekochen. Nach kurzem Zögern willigte der Gefragte ein und übergab ihm einen großen kupfernen Kochtopf. Mullah Wali bedankte sich lange und höflich und trug den Topf schnell zu sich nach Hause.
Einige Tage später brachte Mullah Wali den Topf zu seinem Nachbarn zurück. Doch übergab er ihm noch einen weiteren, kleineren Topf. Dem verdutzten Mirsa Nosulkhaar erklärte Mullah Wali: „Dein Topf hat bei mir ein Kind bekommen und so gehört dir nun auch dieser zweite Kochtopf. Nimm ihn und behandle ihn gut.“
Der Nachbar war erstaunt, freute sich aber, dass er nun einen weiteren Topf besaß. Ohne seinem Nachbarn lange zu danken nahm er den Topf und verschwand in seinem Haus.
Bereits wenige Tage danach klopfte Mullah Wali erneut an die Tür des Nachbarhauses, um sich abermals einen Topf zu entleihen. Diesmal bekam er den besten und größten Topf, ohne dass Misra lange überlegte. Dieser dachte bei sich: „Bestimmt bekomme ich diesmal einen zusätzlichen großen Topf zurück – oder vielleicht werden es sogar Zwillinge. Doch vergingen diesmal viele Tage und als schließlich ein voller Monat ins Land gegangen war, ohne dass Mullah Wali zu ihm gekommen war, beschloss Misra Nosulkhaar seinen Topf selber zurück zu holen. Schnell verließ er sein Haus und ging den kurzen, bewachsenen Weg zu Mullah Walis Haus hinüber.
Als er an die Tür klopfte und ihm geöffnet wurde, fragte er nach einer kurzen Begrüßung ohne weitere Umschweife nach dem Verbleib seines Eigentums.
Das wurden Mullah Walis Augen traurig und er sagte: „Es tut mir wirklich sehr leid, aber dein Topf ist vor ein paar Tagen gestorben. Heute wollte ich zu dir gehen, um es dir zu sagen.“ Der habgierige Nachbar stutzte und erwiderte dann erbost: „Aber das ist unmöglich! Ein Topf kann gar nicht sterben!“
„Wenn ein Topf ein Kind bekommen kann“, erwidertet der Angesprochene knapp, „dann kann er auch sterben. Es tut mir leid, aber ich kann dir deinen Topf unmöglich geben – er ist tot!“ Und mit diesen Worten schlug Mullah Wali dem sprachlosen Nachbarn die Tür vor der Nase zu.
Reza Haidrai Kahkesh: „Der schwangere Topf und andere persisch-orientalische Erzählungen“
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