Der verbotene Teich
In alten Zeiten gab es eine Stadt, deren Herrscher ein Tyrann war. Wen nimmt es Wunder, dass dort seit vielen Monaten kein Regen mehr el und alle Brunnen, Quellen und Bäche des Landes versiegt waren. Wasser war in jenem Königreich das kostbarste Gut und wurde mit Gold aufgewogen.
Da gingen die Bewohner der Stadt zu einem Zauberer und baten ihn, er möge ihnen Wasser herbeizaubern. Gegen viel Gold ließ er eine Quelle und einen Teich entstehen und sprach: „Sollte jemals ein Mensch in diesem Teich baden, so wird er austrocknen, und die Quelle wird niemals wieder sprudeln.“ Nach diesen Worten verschwand der Magier auf wundersame Weise.
Da bestimmten die Bewohner der Stadt einen Wächter, der achtgeben sollte, dass kein Mensch in ihrem Teich bade. Der Wächter aber war ein junger Mann von zwanzig Jahren, wild und ungestüm. Einmal hielt er am Teiche Wache und sah ein Mädchen auf der Straße kommen. Ihre Kleider waren staubig und müde ihre Schritte, denn das Mädchen kam von weit her. Rasch verbarg sich der junge Mann in einem Busch und beobachtet, wie das Mädchen näherkam. Und wie er sah, dass sie süß und schlank und schön sie war, da verlangte es ihm nach ihr.
Das fremde Mädchen kam zum Teich und machte unter einem Baum halt. Sie schaute sich nach allen Seiten um und wie sie sah, dass sie alleine war, da zog sie alsbald die Schuhe aus und legte ihren Umhang, die Bluse und die weite Pluderhose ab, denn es war sehr heiß. So stand sie da … und sie war schön, so schön!
So trat sie an den Rand des Teiches - die kühle Tiefe lockte sie, zu baden. Doch ehe sie auch nur eine Zehe ins Wasser tauchen konnte, sprang der junge Mann aus dem Gebüsch hervor. Er schlang seine Arme eng um sie und hielt sie fest. Laut schrie sie auf vor Schreck, er aber sprach: „Hab keine Angst! Ich bin der Wächter hier am Teich und darf nicht dulden, dass du noch ein anderer darin badest.“
Aufgebracht sah sie ihn an und vorwurfsvoll sprach sie: „Wie konntest du mich meine Kleider ausziehen lassen, wenn du doch wusstest, dass ich hier nicht baden darf?“ Da lachte er und sprach: „Die Kleider auszuziehen ist nicht verboten. Das zu verbieten, bin ich nicht befugt.“
Böse sah sie ihn an und sagte: „Lass mich los, damit ich meine Kleider wieder anziehen kann.“ „Erst einen Kuss“, bat er, „dann lasse ich dich gehen!“ Ernst sagte sie: „Gut! Doch musst du warten, bis ich angezogen bin und mir den Kuss bezahlen. Der Preis ist ein Dinar. Dafür darfst du mich küssen, doch nur auf die Wange!“
Der junge Mann war einverstanden, und sie zog ihre Kleider wieder an. Er gab ihr den Dinar, und sie erlaubte, dass er ihre Wange küsste. Und ihren Mund? Nein, das verbot sie ihm. „Gib mir erst fünf Dinar, das ist der Preis für die Erlaubnis, meinen Mund zu küssen.“ Rasch gab er ihr das Geld und küsste ihren Mund. Er hielt sie fest im Arm und nestelte am Knoten ihrer Pluderhose. „Halt!“ rief sie streng und packte seine Hand. „Gib mir zwanzig Dinar! Danach darfst du den Knoten in der Kordel meiner Pluderhose lösen.“
Er zahlte ihr das Geld und band den Knoten auf und wollte seine Hände weiterwandern lassen, da stieß sie ihn mit Macht zurück. Der Kerl taumelte, el ins Dornengestrüpp und schrie auf vor Schmerz.
Sie aber hob ihr Bündel auf und lief davon. Und im Davoneilen rief sie: „Unser Handel war, dass du den Knoten aufbinden darfst, mehr nicht! Du meinst, ich hätte es dir eher sagen müssen und dich warnen sollen? … Hast du mich denn gewarnt? Du hast genau gewusst, als ich mich auszog, dass ich baden wollte, hast mir in aller Ruhe zugesehen und dabei doch die ganze Zeit gewusst, dass es nicht sein darf und verboten ist … Jetzt sind wir quitt!“
orientalisches Frauenmärchen - Erzählfassung Xenia Busam Mai 2025
Hier werden uralte Geschichten und die Stadt-Geschichte von Ludwigsburg auf das Trefflichste miteinander verwoben!
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